Nicht-endende Enden

Dimensionen eines literarischen Phänomens: Literaturtheorie, Hermeneutik, Medientheorie

“Begin at the beginning”, sagt der König zu Alice, die sich im Wunderland zurecht finden will, “and then go on till you come to the end: then stop”. Im Wunderland literarischer Erzählungen ist es nicht so einfach, zu einem Ende zu kommen. Daß wir uns am Schluß der Geschichte andere Geschehensabläufe mit anderen Konsequenzen vorstellen können, daß gängige Schlußwendungen wie das happy end (oder ähnlich die Katastrophe) nicht irreversible Konzepte darstellen, macht schon deutlich, daß das Ende der Geschichte nicht endgültig ist. Die vorliegende Studie identifiziert dieses literarische Phänomen als “nicht-endendes Ende”. Anhand von erzählenden Texten Kleists, Jean Pauls und Kafkas, aber auch von “Groschenromanen” der Jerry Cotton-Reihe sowie Computer-generierten Hypertexten und “Interfiction” werden verschiedene Typen und Funktionsweisen der nicht-endenden Enden entwickelt, insbesondere das peripetetische, das elliptische, das fragmentarische und das serielle Ende. Die im engeren Sinne erzähltheoretische Fragestellung hat aber noch weitere und vielleicht folgenschwerere Implikationen: Als Finale markiert ein vordergründig erzähltechnisches Manöver wie das “Zu-Ende-bringen” eine Finalität, die die reine Ablauf- oder Sukzessionsstrategie des Erzählens transzendiert. Das “Ende” mutiert zu einem hermeneutischen Fixpunkt, ohne den ein wie auch immer geartetes “Verstehen” des narrativen Textes nicht möglich scheint. Das “Ende” wird zum Anfangspunkt eines mentalen Prozesses, der noch über den Akt der Lektüre hinaus geht, ihn ergänzt, ihn abschließt und ihn überhöht. Das Nicht-Endende hat darum erhebliche Konsequenzen auch für Hermeneutik und Medientheorie und lässt am Ende Rückschlüsse auf die Entwicklungsmöglichkeiten und Grenzen der Literatur zu.

Es handelt sich hier um die leicht geänderte Druckfassung der Dissertation an der Georg-August-Universität Göttingen aus dem Jahr 2005.

Nicht-Endende Enden
Dimensionen eines literarischen Phänomens
:
Literaturtheorie, Hermeneutik, Medientheorie
Erscheinungsdatum: 22.01.2007, 388 Seiten
ISBN: 978-3-8260-3389-6
Reihe: Epistemata Literaturwissenschaft, Band: 574

Pressestimmen:

„Wie bereits erwähnt, gibt das Schlusskapitel noch einmal eine geraffte Darstellung dessen, was Hektor Haarkötter zu dem vielschichtigen Phänomen nicht endender Enden, zu Erzähltheorie, Hermeneutik und Medientheorie zu sagen hat, einer Vielschichtigkeit, die der Autor mit großer Finesse und Liebe zum Detail vor seinen Lesern aufgefächert hat. Und er unternimmt auch hin und wieder Abstecher zu verwandten Themen, die am Rande liegen, buchstäblich verstanden sogar bei der Marginalisierung von Texten. Sehr interessant sind seine Ausführungen über die Hermeneutik oder auch über die Editionspraxis, über Eschatologie, Apokalypse und vieles mehr. Ziemlich ausführlich abgehandelt wird der Gebrauch und die Funktion der Fußnote. Haarkötter selbst hat auch sein eigenes Werk gründlich mit Fußnoten versehen, was natürlich als Indiz für die akribische Arbeit gelten kann, die er sich auferlegt hat. Darauf weist auch das mit 37 Seiten sehr umfangreiche Literaturverzeichnis am Ende des Bandes hin“.

(Werner Fletcher, sandammeer.at)