Vergnügliches für den besonderen Leser
Wie kommt es eigentlich, dass der größte Freund des Buches nach seinem verbissensten Feind benannt ist? Dieser Frage geht Hektor Haarkötter in seiner amüsanten Studie nach. Über 160 verschiedene Tiere kann er dingfest machen, die sich den Namen Bücherwurm verdient haben und bis heute ihr gefräßiges Unwesen in Bibliotheken und Bücherregalen treiben. Aber auch der menschliche Bücherwurm geht nicht immer nur pfleglich mit dem Objekt seiner Begierde, dem Buch, um. Oftmals nimmt er das Verschlingen von Büchern allzu wörtlich. Seit biblischen Zeiten ist das Aufessen von Büchern eine gar nicht seltene Unsitte, die in der Barockzeit als „Bücherstrafe“ sogar Gesetzesrang erhielt. Der Bücherwurm ist mitnichten eine aussterbende Art. Auch im Computerzeitalter hat er in den Neuen Medien Unterschlupf gefunden und frisst sich als Computerwurm, -virus oder -bug durch die digitale Welt.
Über 160 verschiedene Tiere wurden identifiziert, die mit Fug‘ und Recht als Bücherwürmer bezeichnet werden können. Unter den gewöhnlichen Gästen des Buches nehmen, wie ihr Name bereits andeutet, die Tiere der Familie der Nagekäfer (Anobium) einen hervorragenden Platz ein. Besonders die Art Anobium punctatum, der gewöhnliche Nagekäfer, steht im Ruf, ein notorischer Bücherwurm zu sein. Anobium punctatum wird auch als „der“ Holzwurm bezeichnet, wobei allerdings gerne alle Arten von im Holz bohrenden Käfern so genannt werden. Der gemeine Nagekäfer gilt als der am weitesten verbreitete Schädling in ganz Europa. Der Entomologe Günther Becker geht so weit zu behaupten, dass er in praktisch jedem Haus in Deutschland zu finden ist. Seine destruktive Wirkung ist so enorm, dass er komplette Möbelstücke (bevorzugt: Antiquitäten) und Dachstühle zerstören kann. Dass er sich auch über Bücher hermacht, ist eigentlich ein Missverständnis. Bis ins 18. Jahrhundert waren die Einbände von Büchern aus Holz. Das dafür verwendete Buchenholz soll sogar dem Medium den Namen gegeben haben.
Gotthold Ephraim Lessing war in gleich mehrerer Beziehung der erste menschliche „Bücherwurm“. Vor allem hat er sich den Ehrentitel (so es denn einer ist …) dadurch verdient, dass er den Terminus als erster in der deutschen Literatur eingeführt hat. In seiner frühen Komödie „Der Junge Gelehrte“ taucht der Begriff an prägnanter Stelle auf. Der Diener Anton bezeichnet seinen Herrn, einen schwer belesenen, aber wenig erfahrenen Polyhistor, als „Bücherwürmlein“.
„Anton: Ja, auch das sind verdammte Thiere, die Bücherwürmer.“
(Lessing: Der Junge Gelehrte)
Dass Anton und das Dienstmädchen Liesette sich im folgenden auch noch gegenseitig als „Äffchen“, „Kätzchen“ und „Schlange“ bezeichnen, macht das Bestiarium komplett. Und dass Antons Dienstherr sich ausgerechnet beim Essen einige schwere „Schinken“ reichen lassen will, hebt die Metapher vom Bücherwurm direkt auf die kulinarische Ebene. A worm is born!
Mit seinem Bücherwurm-Buch in bibliophiler Aufmachung präsentiert Hektor Haarkötter ein spannendes Crossover aus Literaturwissenschaft und Zoologie, Kulturgeschichte und Kulinarik. Seltene Illustrationen dokumentieren manch überraschenden Fund aus Kunst und Literatur. Wahrlich ein Buch zum Verschlingen!
Hektor Haarkötter: Der Bücherwurm.
ISBN : 978-3-89678-662-3
Einband : gebunden
Seiten/Umfang : 144 S. – 19,0 x 12,0 cm
Erschienen : 1. Aufl. Febr. 2010
Seit Oktober 2010 liegt der „Bücherwurm“ auch als Hörbuch in der Edition Auditorium Maximum vor, gesprochen von Martin Falk:
Hektor Haarkötter: Der Bücherwurm. Hörbuch.
1 CD im Digipack, ca. 70 Min. 12,90 Euro
Das sagt die Presse:
„Eine überfällige Studie“
(Dennis Scheck, Deutschlandfunk)
„Bei Haarkötter erscheint der menschliche Bücherwurm bei genauerem Hinsehen als ein liebenswerter Fußlahmer der Geschichte. Als melancholisch zurückblickender Nostalgiker inmitten einer sich bis heute rasant wandelnden Wissensgesellschaft. Er sammelt schon deshalb so viele Bücher, weil er von modernen und postmodernen Erkenntniszweifeln nichts wissen möchte. Entsprechend ist der menschliche Bücherwurm meistens viel mehr am Aussehen seiner Exemplare als an deren Inhalt interessiert. Denn nur mit Blick auf eine prachtvolle Bibliothek kann er sich noch einmal zurückträumen in jene Welt der Vormoderne, in der das ganze Wissen der Menschheit noch tröstlich zwischen zwei Buchdeckel zu passen schien“.
(Gisa Funck, Büchermarkt)
„So balanciert Haarkötters Buch elegant zwischen Kulturbetrachtung und Kulinarik. Zoologie betreibt es, Soziologie — und ist doch selbst ein Stück Literatur: weil es sowohl kenntnisreich als auch stillvoll und stets ironisch erzählt. Mit entsprechend leichter Feder, aber auch mit tiefen Gedanken arbeitet sich Haarkötter vor bis zum Nazi, der Bücher verbrennt (ist er ein Mensch, ist er ein Tier?), bis zum genetischen Code — dem Buch des Lebens, geschrieben allein aus den Buchstaben A, C, T und G –, bis zur scheinbaren Ablösung des Buches durch die Neuen Medien. Unterhaltsam fügt der Autor den mancherlei Facetten seiner Übersicht noch jene bei: eine Geschichte des Leseverhaltens zu sein …“
(Michael Thumser, Frankenpost)
„Ist von einem Bücherwurm die Rede, denkt man sofort an einen Menschen, der fast pausenlos liest, mithin Bücher verschlingt, sie quasi frisst. Um den geht es auch in dem bibliophil ausgestatteten Büchlein „Der Bücherwurm“ , aber nicht nur. Getier, das Bücher frisst, gibt es nämlich tatsächlich, und Hektor Haarkötter begibt sich auf ihre Spur von der Antike bis heute. Irgendwann findet dann tatsächlich die Menschwerdung des Wurmes statt, oder ist es eher umgekehrt, und der Mensch wird zum Wurm? Egal. Haarkötter bietet „Vergnügliches für den besonderen Leser“, wie der Untertitel verspricht …“
(Heilbronner Stimme)
„Unter allem Gewürm dieser Welt ist der Bücherwurm wohl die sympatischste Spezies. Wenn sich so ein Tierchen im Wortsinne durch die Wälzer frisst, dürftet das bibliophilen Menschen zwar nicht recht sein. Doch im übertragenen Sinn wird sich mancher Lektüre-Liebhaber sicher gern selbst als Bücherwurm outen. Also: Wer ist er wirklich? Hektor Haarkötter — kann dieser Name echt sein? — macht sich tierisch wie menschlich auf die Suche. Von der griechischen Antike bis ins Computerzeitalter spannt er den Bogen seiner Recherche, die mit unzähligen Literaturzitaten und -hinweisen untersetzt ist. Und angereichert mit einer Fülle sinniger Illustrationen von der zoologischen Zeichnung bis hin zu den sich biegenden Regalböden des Bücher-Retters Pfarrer Weskott“.
(Nordkurier)
„Wie sich scheinbar gegen alle Logik die Wurmwerdung des leidenschaftlichen Lesers vollzog, das hat Haarkötter in einem liebevoll gestalteten Buch aus dem Darmstädter Primus-Verlag nachgezeichnet … Wer sich dennoch nicht daran stört, ein Bücherwurm genannt zu werden, sollte sich Haarkötters Buch nicht entgehen lassen. Dieser Streifzug durch die Bibliotheken und ihre menschlichen wie tierischen Bewohner ist amüsant geschrieben und interdisziplinär angelegt, zwischen Kulturwissenschaften und Zoologie. Man lernt zum Beispiel bizarre Paarungsgebräuche gewisser Insekten kennen und erfährt, dass das Verschlingen von Büchern nicht immer nur eine Metapher war: In der Barockzeit wurde mancher unbotmäßige Autor von den Zensoren gezwungen, die Seiten mit den inkriminierten Stellen sich einzuverleiben. … Vielleicht wird auch dieses amüsante Werk, nachdem es hoffentlich viele Leser gefunden hat, einmal den Weg aller Bücher gehen. Möge ihm nur jene Art von Recycling erspart bleiben, zu der Hermann Hesse zeitweilig griff: Als Buchkritiker entledigte er sich der zahlreichen unverlangt zugesandten Rezensionsexemplare, indem er sie in seinem Garten unter einer Humusschicht begrub – er warf sie sozusagen den Würmern zum Fraße vor.“
(Darmstädter Echo)
„Hektor Haarkötter geht in „Der Bücherwurm“ auf die Suche nach dem größten Feind des Buches. Trotz eines wissenschaftlichen Anspruches erscheint das vorliegende Buch wegen zahlreicher vergnüglicher Anekdoten, des hintersinnigen Witzes und des angeschlagenen nonchalanten Erzähltons wie ein kurzweiliges Erzählbändchen, dass wie im Vorbeiflug äußerst interessante Fakten rund um den kleinen Nagekäfer vermittelt. Im Vordergrund steht die Freude an ein recht ungewöhnliches Thema. Diesem Umstand verdankt der Leser auch die seltenen Illustrationen, die das Buch zu einem wertvollen Bändchen im heimischen Bücherregal erheben. Da bleibt nur zu hoffen, dass nicht auch hier der „wahre“ Bücherwurm eines Tages zuschlägt, denn das wäre ein nur schwer zu verschmerzender Verlust …“
(Susanne Fleischer, literaturmarkt.info)
„… ein schmales handliches Büchlein, in dem sich der Leser in der Tat bestens unterhalten fühlt. Auf relativ knapp bemessenem Raum erfährt man Wesentliches über tierische sowie menschliche Bücherwürmer, der Autor kann auf den circa 140 Seiten mit einem Staunen erregenden Reichtum an Details und Fakten aufwarten, um so dem Leser ein recht ausdifferenziertes Bild eines an sich nur schwer auslotbaren Wesens zu liefern. … Der Leser bekommt vom Autor für den Kaufpreis ein erfrischendes literarisches Potpourri aus Kulturgeschichte, Entomologie und anderen Bereichen geliefert. Alles ist zuverlässig recherchiert. Nüchterne Fakten werden pointenspitz formuliert und fesseln so die Aufmerksamkeit des Lesers. Eine bemerkenswerte Informationsdichte lässt den Leser kaum zu Atem kommen. Dass das Buch trotzdem alles Andere als trocken und lehrbuchhaft wirkt, ist nur eines der zahlreichen Verdienste des Autors. Und ein reiches Anschauungsmaterial in Form von originellen Illustrationen rundet das Ganze ab.
Das Fazit, das Hektor Haarkötter aus seinen Recherchen im Milieu der Bücherwürmer zieht, lautet: Der Bücherwurm hat Zukunft, sowohl als Lebewesen wie auch als Metapher. Das Fazit des Rezensenten lautet: Ein jeder, der sich den besonderen Lesern zugehörig fühlt, (und welcher Leser fühlt sich damit nicht angesprochen?) sollte die paar Euro erübrigen können, um sich dieses Buch zuzulegen.“
(Werner Fletcher in sandammer.at)