Das Youtubiversum.

Das Internet hat sich gerade auch durch YouTube von einem Text- oder Text-und-Bild-Medium zu einem voll-visualisierten Bewegtbildmedium verwandelt. YouTube ist heute nicht nur ein Kanal, über den Pubertierende Schminkhinweise und Spieletipps erhalten, sondern entwickelt sich zunehmend auch zum kulturellen Gedächtnis für Videoinhalte, die aktueller ebenso wie historischer Natur sein können. Es verwundert darum nicht, dass YouTube sich zur zweitmeistgenutzten Internet-Suchmaschine nach derjenigen des Mutterkonzerns, nämlich Google, entwickelt hat.

Was so viel Bandbreite beansprucht, darf auch Anspruch auf Universalität haben. Und tatsächlich gibt es kaum ein Thema, ein Bedürfnis, ein Interesse oder eine Agenda, die nicht im Video auch auf Youtube zu finden wären. Vier bis fünf Stunden Videomaterial soll, nach unbestätigten Schätzungen, pro Minute auf die Speichereinheiten der Onlinevideoplattform YouTube hochgeladen werden. Diese Zahl ist wie die meisten Angaben, die die US-amerikanischen Computerfirmen aus dem Silicon Valley verbreiten, mit Vorsicht zu genießen, da YouTube mit Firmeninterna einen durchaus klandestinen Umgang pflegt. Aber selbst wenn der Mengenrahmen an Material, das von dieser Plattform zur Verfügung gestellt wird, schwer zu schätzen ist, dürfte die Annahme auf Zustimmung stoßen, dass YouTube ein eigenes Universum darstellt, das längst auch genuine Darstellungs- und Präsentationsformen, genuine Wirtschaftsformen und, vor allem, genuine Heldinnen und Helden hervorgebracht hat, die als Projektionsfläche dienen und als anthropomorphe Wiedergängerinnen dieser Speichereinheit dem unübersehbaren Giganten ein Gesicht geben. Es ist darum wohl nicht übertrieben, von einem „YouTubiversum“ zu sprechen, das seinen eigenen Bedeutungshorizont definiert und längst eine eigene Welt darstellt.

(Abb.: Jurgen Appelo)

Gefragt wird in dem vorliegenden Sammelband über das „YouTubiversum“ danach, ob auf YouTube auch Äquivalente zur Informations- und Bildungsfunktion des klassischen Journalismus zu finden sind, welche Geschäftsmodelle und Monetarisierungsmöglichkeiten hinter der Produktion von YouTube-Videos stehen und wie die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür aussehen.

Hektor Haarkötter/Johanna Wergen (Hg.): 
Das YouTubiversum. Chancen und Disruptionen der Onlinevideo-Plattform in Theorie und Praxis.

Wiesbaden (Springer VS) 2019, 212 S., ISBN 978-3-658-22845-3