Sprachregelungen, hier: vegetarische Lebensmittel

Jetzt erstmal herzhaft zubeißen! Das EU-Parlament hat eine Regelung beschlossen, nach der Begriffe wie Wurst, Steak und Schnitzel für vegane und vegetarische Alternativen verboten werden sollen. Die Mehrheit der EU-Abgeordneten sprach sich dafür aus, dass künftig nur noch tierische Produkte diese Namen tragen sollen. Eine tierisch gute Idee?

Der Beißreflex, der hier insbesondere bei EU-Abgeordneten rechts der Mitte herrschte, ist schon deswegen interessant, weil gerade Politiker:innen rechts der Mitte sonst ja gerade eher Ladehemmungen haben, was Eingriffe in die Alltagssprache angeht (siehe: „Gendern“). Die Aufforderung, für etablierte Wörter wie Schnitzel, Wurst oder Hamburger in ihren vegetarischen Versionen neue Begrifflichkeiten zu erfinden (vulgo: Neologismen), ist aber gerade so ein Eingriff in die Sprache. Gerechtfertigt wäre der, wenn die heute üblichen Bezeichnungen wirklich zu einer Irreführung der Verbraucher:innen führen würden. Also prüfen wir das einmal kurz.

Das Wort „Schnitzel“ kommt von „schneiden“ oder „Schnitt“ und bezeichnet schlicht ein abgeschnittenes Stück: Ob vom Schweinepopo, vom Kalbsrücken oder von der Sellerie ist damit erst einmal gar nicht ausgesagt. Verwechselungsgefahr? Ziemlich gering. Auch im Französischen ist übrigens künftig das Wort „Schnitzel“ verboten – auch wenn das dort gar niemand sagt. Das Gericht heißt auf französisch nämlich „escalope“. Die „Piccata“ in Italien darf weiter so heißen, egal ob aus Fleisch oder nicht. Und beim klassischen Wiener Schnitzel herrscht noch Diskussionsbedarf, denn von jeher ist der (Kalb-)Fleischanteil im Verhältnis zur Panade so gering, dass man es fast mit einem vegetarischen Gericht verwechseln könnte! Und wenn es um die Wurst geht? Hier wusste schon der fränkische Dichter Jean Paul: Bei Gesetzen und bei Würsten ist es besser, wenn man nicht weiß, wie sie zustande kommen. Enthält die Fleischwurst eigentlich Fleisch, die Schinkenwurst Schinken, die Bierwurst Bier, Die Lyoner Lyoner? Eine jahrhundertealte Streitfrage.

Welch fatale Auswirkungen es haben kann, wenn die Politik sich aktiv in den Sprachgebrauch des Alltags einmischt, dafür haben wir in Deutschland ein bezeichnendes Beispiel: Die meisten türkischen Imbisse dürfen ihren Döner Kebab nicht mehr Döner Kebab nennen, weil seine Zusammensetzung in der Regel nicht der „Festschreibung der Berliner Verkehrsauffassung für das Fleischerzeugnis Dönerkebap“ entspricht, in der deutsche Beamte dem türkischen Imbissbesitzer erklären, was drin sein darf: Nur Fleisch von Kalb, Rind oder Schaf dürfe verwendet werden, Mischungen seien zulässig. Das Fleisch müsse der Berliner Hackfleisch-Verordnung genügen (grob entsehnt, grob entfettet und maximal 20 Prozent Fett). Das Hackfleisch sei „nicht zu wolfen und zu mengen; es wird nicht gekuttert. Brühwurstbrät wird nicht verwendet.“ Vor allem dürfen keine Semmelbrösel drin sein: Allerdings, ohne die fällt das Fleisch einfach vom Drehspieß. Übrigens: Das türkische Wort „Döner“ heißt einfach nur „Drehspieß“. Indes, „Drehspießfleisch“ dürfen die Imbissbesitzer weiterhin sagen.

Ein aufgeschnittenes Brötchen mit Salat, Tomate, Zwiebel und einem Patty dazwischen: Wir alle würden das als „Hamburger“ identifizieren. Stört es uns oder verwirrt es uns gar, wenn das Patty aus Fleischersatzstoff oder gar aus, horribile dictu: Gemüse ist? Nicht die Bohne.

Den leckersten Döner, den ich je verspeist habe, bekam ich in Leipzig. Er war vegetarisch, mit viel gegrilltem Gemüse und mehreren hausgemachten Saucen. Das Gericht hieß dort „Vöner“ – eine warme Empfehlung!


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