Aktuell bin ich in Hamburg beim (Aus-)Bildungskongress der Deutschen Bundeswehr an der Helmut-Schmidt-Universität. Ich stelle dort unser Forschungsprojekt zu Fake News und Cybersecurity vor. Im Vorfeld hat mich diese Konferenz ein paar Nerven gekostet. Bei der gleichen Veranstaltung soll nämlich eine Ausbilderin der Israel Defense Forces (IDF) sprechen. Allein diese Ankündigung hat bei interessierten Kreisen offensichtlich Schnappatmung ausgelöst. Jedenfalls wurden ich und viele andere Referent:innen dieses Kongresses mit einem Mailbombing überzogen, das ich so noch nie erlebt habe. Ich habe mich bislang mit öffentlichen Äußerungen zu Israel und dem Krieg gegen die Hamas stark zurückgehalten. Und das nicht, weil es mich nicht bewegen würde, ganz im Gegenteil: Ich habe beruflich wie privat Israel, den Libanon und Syrien bereist. Ich habe irgendwann mal Geschichte studiert (im 2. Nebenfach) und fühle als Deutscher recht deutlich das Gewicht historischer Verantwortung, das sich bei mir vor allem in Zurückhaltung in Sachen Nah-Ost-Konflikt äußert. Meine Sympathie und auch Faszination für das Land Israel möchte ich nicht verhehlen. Aber auch für die arabische Welt, für ihre Kultur und ihre Küche, diese herrliche gutturale Sprache und die anmutige Schrift, empfinde ich Hochachtung. Die Organisation, der ich vorstehe (die Initiative Nachrichtenaufklärung), hat vor zwei Jahren den Günter-Wallraff-Preis für Pressefreiheit und Menschenrechte an zwei Friedensaktivistinnen aus Israel und (!) Palästina vergeben.
Ich habe praktisch jedem der über 100 (!) E-Mail-Absender:innen geantwortet. Das scheint sie überrascht zu haben. Ich möchte, die E-Mail, die ich erhalten habe (alle Mails waren wortgleich), und meine Antwort darauf (die ich hier und da variiert habe) hier dokumentieren:
Guten Tag, ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie am (Aus)Bildungskongress 2025 am 02. und 03. September 2025 in Hamburg teilnehmen. Ist Ihnen bekannt, dass am zweiten Kongresstag eine Keynote von Dr. Ofra Gracier, der Hauptausbilderin der Israelischen Armee, gehalten wird? Können Sie Stellung beziehen, ob es für Sie in Ordnung ist, auf einem Kongress zu sprechen in dem eine Keynote einer Person gehalten wird, die ein Militär repräsentiert, dass seit Oktober 2023 fast täglich dokumentierte Kriegsverbrechen begeht und gegen dessen ehemaligen Minister, Joaw Galant, ein Haftbefehl des Internationalen Gerichtshof aufgrund von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegt? Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung.
(eine von über 100 Copy&Paste-E-Mails gegen die Teilnahme einer israelischen Wissenschaftlerin der IDF beim Ausbildungskongress der Bundeswehr)
Hier meine Antwort:
Guten Tag!
Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie mir jetzt bestimmt mindestens die 100. gleichlautende E-Mail zum Thema schicken. Ein E-Mail-Text in sehr schlechtem Deutsch und mit sachlichen Fehlern, weswegen ich Ihnen zugute halte, dass Sie ihn nicht selbst geschrieben haben. Ich frage mich, warum Sie das tun. Ich gehöre weder zu den Organisatoren dieser Veranstaltung, die mir die richtigen Adressaten für Ihr Anliegen zu sein scheinen, noch bin ich in einem Panel mit der Dame, die Sie hier offenbar ihrer Cancel Culture unterziehen wollen. Ich erachte Ihr Vorgehen als eine Form digitaler Gewalt mir gegenüber, die ich mir weder erklären, noch gutheißen kann. Dennoch möchte ich Ihre Frage beantworten, weil ich mich noch jenen Regeln guten Benehmens verpflichtet fühle, von denen Sie sich offensichtlich verabschiedet haben:
Als bekennender Antifaschist bin ich gegen jede Form von Antisemitismus und befürworte ausdrücklich das Existenzrecht des Staates Israel. Außerdem bin ich ein Verfechter von Meinungsfreiheit und Diskussionfreiheit. Gerade in der jetzigen komplizierten geopolitischen Situation scheint es mir wichtig, keine Rede- und Diskussionverbote aufzustellen. Wenn der als Referentin eingeladenen Person keine persönlichen Verfehlungen nachzuweisen sind, gehe ich davon aus, dass Sie hier nur ein unbestimmtes, privates Unwohlsein formulieren wollen. Das scheint mir aber nicht auszureichen, um die Referentin von einer Diskussionsveranstaltung auszuladen, vor allem nicht in Form einer per Copy & Paste oder womöglich per KI generierten Massen-E-Mail. Am Ende bleibt mir von Ihrem kopierten Text nur der schale Geschmack eines Slogans á la: „Deutsche, redet nicht mit Juden!“ Dem kann ich nur entgegenhalten: Nie wieder ist jetzt.
An einer weiteren persönlichen Auseinandersetzung mit Ihnen bin ich nicht interessiert. Sie müssen mir deswegen auf diese E-Mail auch nicht antworten.
Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis.
(Antwort-Mail)
Schalom und mit freundlichen Grüßen …
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